28.10.2025
"Ich bin froh über meine Entscheidung."
Interview mit Friseurunternehmerin Julija Utocenko aus Coesfeld (4 Beschäftigte) zum Thema Gründung und Übernahme
Team Fachkräfte-Initiative der HWK Münster (hier stellvertretend Gisela Goos): Frau Utocenko, Sie sind 31 Jahre und haben vor gut zwei Jahren beschlossen, den Salon ihrer ehemaligen Arbeitgeberin mit vier Beschäftigten zu übernehmen. Wie kam es dazu?
Julija Utocenko: Eigentlich wollte ich mich nicht selbstständig machen - und in dieser Lebensphase schon gar nicht. Denn als meine Chefin damals verkündete, den Salon aus persönlichen Gründen abgeben zu wollen, hatte ich gerade Nachwuchs bekommen. Zudem besaß ich damals noch keinen Abschluss als Meisterin.
Fachkräfte-Initiative: Warum haben Sie sich dann trotzdem für die Selbstständigkeit entschieden?
Utocenko: Ich wollte mir die Chance, einen florierenden Salon mit bewährten Fachkräften zu übernehmen, nicht entgehen lassen, auch wenn es extrem zeit- und kostenintensiv war, eine Ausnahmegenehmigung für die Gründung ohne Meistertitel zu erhalten. Ich nutzte meine Elternzeit, um mich um die notwendigen formalen Voraussetzungen zu kümmern.
Fachkräfte-Initiative: Und wie ging es dann weiter?
Utocenko: Mit Hilfe der Handwerkskammer Münster habe ich heute beinahe alle Hürden von damals überwunden: Ich wurde betriebswirtschaftlich beraten, erhielt wegen meiner zweijährigen Führungserfahrung als Salonleiterin die Ausnahmegenehmigung und werde meine Qualifikation zur Meisterin in Kürze abschließen.
Fachkräfte-Initiative: Wie vereinbaren Sie diese beruflichen "Mammutaufgaben" mit Ihrer Rolle als Mutter?
Utocenko: Ohne die Unterstützung meines Partners - dem Vater des Kindes - hätte ich das nicht geschafft. Außerdem bin ich gut organisiert und takte meine Zeit für den Salon, das Kind und die Meisterschule innerhalb der Woche klar durch. Neben einer offiziellen Tagesbetreuung kümmern wir uns beide durch die flexible Gestaltung unserer Arbeitszeiten um unseren Sohn und können auch auf ein privates Betreuungsnetzwerk zurückgreifen. Maßgeblich entscheidend dafür, dass ich meinen Salon in Teilzeit leiten kann, sind meine engagierten Kolleginnen.
Fachkräfte-Initiative: Ist es nicht schwierig, nun die Chefin der ehemaligen Kolleginnen zu sein?
Utocenko: Nein, die Führung und Motivation meiner kleinen Arbeitsgruppe fällt mir leicht. Die Zusammenarbeit mit meinem Team ist durch das langjährige Miteinander sehr vertrauensvoll. Ich achte darauf, genügend Zeit für den persönlichen Austausch mit den Einzelnen zu haben. Dazu zählt das direkte Gespräch im Salon genauso wie das gelegentlich gemütliche Beisammensein bei Speis und Trank außerhalb des Ladenlokals.
Fachkräfte-Initiative: Und wie ist es mit dem fachlichen Input, ist das bei so erfahrenen Kolleginnen nicht mehr wichtig?
Utocenko: Doch natürlich. Die regelmäßige Weiterbildung ist im Friseurhandwerk extrem wichtig. Ich bilde mein Team deshalb selbst weiter und engagiere zusätzlich externe Schulungskräfte. Wie wichtig Fortbildung ist, habe ich gerade durch meine Qualifizierung zur Meisterin erlebt. Oftmals wende ich das Wissen aus dem Unterricht direkt in meinen Salon an.
Fachkräfte-Initiative: Welches Fazit ziehen Sie nach den gut zwei Jahren Ihrer Selbstständigkeit?
Utocenko: Obwohl es in den letzten Jahren nicht leicht war, die Anforderungen der Selbstständigkeit mit denen einer Familie zu vereinbaren, bin ich ausgesprochen froh über meine Entscheidung.
Fachkräfte-Initiative: Frau Utocenko, wir wünschen Ihnen weiterhin so so viel Kraft und so viel Erfolg und wie bisher.
Utocenko: Danke. Diese guten Wünsche nehme ich gerne an.